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Künstliche Intelligenz für Immobilien

Verantwortlicher Autor: Stefan Cramer Mainz, 21.08.2018, 12:29 Uhr
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Mainz [ENA] Was bringt die künstliche Intelligenz für den Due Diligence Prozess bei der Durchführung von Immobilientransaktionen? Anspruch und Wirklichkeit klaffen nach wie vor weit auseinander. Was aktuell mit der Entwicklung von Algorithmen als die technische Innovation im Rahmen der Digitalisierung propagiert wird, kann einer kritischen Analyse kaum standhalten. Welche Probleme sind für eine effiziente Anwendung zu lösen?

Was bringt die Künstliche Intelligenz aktuell für die Immobilienwelt? Zunächst muss man den Begriff der künstlichen Intelligenz ein wenig näher definieren. Abgesehen von der wissenschaftlichen Definition, die die KI als Teilgebiet der Informatik, die sich mit der Automation von intelligentem Verhalten erfasst, fragt sich der Immobilist doch, was bringt mir das? Ziel der KI müsste es doch sein, Arbeitsschritte zu vereinfachen, zu verkürzen und damit effizienter zu gestalten. An dieser Stelle lassen wir die Bereiche Gebäudeautomation, Überwachungstechnik und ähnliches außen vor. Genauer betrachtet werden soll hier der Due Diligence Prozess im Bereich von Transaktionen.

Was den Due Diligence Prozess angeht, muss man zunächst den gesamten Prozess, von der Erstellung eines virtuellen Datenraumes, über die inhaltliche Gestaltung bis hin zum Abschluss des Kaufvertrages betrachten. Bei jedem Transaktionsprozess steht zuerst die Entscheidung, dass eine Liegenschaft veräußert werden soll. Die erste Frage, die stets aufgeworfen wird ist, welche Dokumente sollen dem potentiellen Käufer zur Verfügung gestellt werden und sind bereits verfügbar, welche müssen noch beschafft und eventuell digitalisiert werden? Jedem virtuellen Datenraum liegt ein wie auch immer gearteter Index zugrunde, in dem der Inhalt festgelegt wird. Variationen entstehen je nach Assetklasse, die im Detail unterschiedliche Dokumente erfordert.

Steht der Datenraum mit seinen verschiedenen Dokumentenklassen, die sich grob in Grundstücks-, Gebäude-, Steuer- sowie Mieter- und Eigentümerdokumente unterteilen lassen, steht die Frage im Raum, welche Informationen aus den jeweiligen Dokumenten extrahiert werden können und sind für die Transaktion von Relevanz? Entscheidend sind alle Wert bildenden und Wert mindernden Faktoren. Welche Rechte belasten, oder begünstigen das betreffende Grundstück? Welche Mietverträge enthalten möglicherweise Klauseln, die für den Vermieter Kosten verursachen können, wie zum Beispiel Ausbauleistungen, oder Konkurrenzschutz Klauseln. Dies nur als Rahmen, in dem sich die KI einbringen und den Prozess beschleunigen soll. Was können Algorithmen Stand heute?

Beginnen wir mit den positiven Bereichen. Aktuell können Plattformen wie Leverton, Architrave und diverse im Bereich der Fraud- und Dispute Service Software angesiedelten Unternehmen Mietverträge zuverlässig auslesen und Daten hieraus extrahieren. Gleiches gilt für Bankunterlagen wie Kontoauszüge, was im Bereich der Immobilien weniger eine Rolle spielt, aber zur Aufklärung von Vermögensdelikten von erheblicher Bedeutung ist. Je nach Plattform gibt es für alle Dokumentenklassen eine Möglichkeit, Suchfelder zu befüllen, um die gewünschten Informationen zu erhalten. Hier beginnt bereits die Krux. Informationen werden systemseitig nur nach Eingabe der Suchbegriffe zusammengestellt.

Auch wenn manche Systeme formelartige Suchanfragen ermöglichen, so wird die KI nur genau diese Vorgaben erfüllen und ähnlich lautende Begriffe und Formulierungen nur bedingt identifizieren können. Hier ist der Stand des aktuellen "Lernens" der Lösungsansätze durchaus unterschiedlich, wenn auch ähnlich weit entwickelt. Interessant wäre die Unterstützung der KI bei Dokumenten, die in grösseren Mengen vorhanden sein können, wie etwa Prüf- und Wartungsprotokolle. Gerade hier können Mängel zu deutlichen Einbussen beim Kaufpreis führen. Gleiches gilt auch für Rechte am Grundstück, die aus Individualvereinbarungen, Grundbüchern, oder öffentlichen Rechten resultieren.

Es ist möglich über Suchbegriffe verwertbare Auswertungsergebnisse zu erhalten. Dies ist leider nur die halbe Wahrheit. In der Praxis stellt sich meist die Frage, habe ich alle wesentlichen Dokumente zu dem von mir zu bearbeitenden Thema identifiziert? Meistens gibt es, je nach Plattform durchaus große Mengen von Dateien, die entweder nicht erkannt, oder wegen fehlender Lesbarkeit nicht extrahiert werden können. Dieses Delta muss dann manuell nachgearbeitet werden. Ungeklärt ist auch die Frage der Haftung für maschinell erstellte Auswertungen. Dies wäre aber ein wesentlicher Punkt, wenn man die KI als Lieferant belastbarer Ergebnisse nutzen möchte.

Ein wesentlicher noch ungelöster Punkt ist die Prüfung von Vollständigkeit sowohl einzelner Dokumente, wie auch Dokumentenbeständen. Habe ich alle erforderlichen Wartungsprotokolle zu den im Wartungsplan aufgeführten Gewerken? Sind alle Anlagen zu einem Dokument vorhanden? Es können nur die Dokumente analysiert werden, die im Datenraum vorhanden sind. Fehlstellen zu identifizieren, wie zum Beispiel eine fehlende Baugenehmigung, ist aktuell nicht möglich. Abschließend muss die Frage nach den Kosten und dem trotz KI entstehenden Aufwand gestellt werden. Hier ist noch eine mehrstufige Nachprüfung erforderlich, die die von der KI erstellten Auswertungen überprüft und absichert.

Erst wenn Kosten und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen, wird die KI in den täglichen Arbeitsablauf ihren Einzug halten. Trotz der vorhandenen Schwierigkeiten wird es aber nur eine Frage der Zeit sein, wann dies erreicht werden kann? Je schneller die Maschinen lernen, umso effektiver und zuverlässiger die Ergebnisse sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von Veränderungen bei der Due Diligence.

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